Alles was Sie über das Gewohnheitsrecht bei Grundstücken wissen sollten
Im deutschen Rechtswesen bezeichnet man als Gewohnheitsrecht ein ungeschriebenes Recht, das nicht durch die Gesetzgebung zustande kommt. Dieses Recht beruht vielmehr auf lange angwendeten Rechtsvorstellungen und Regeln, welche alle Beteiligten als verbindlich akzeptieren. Gewohnheitsrecht gilt als gleichberechtigt mit Gesetzen auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Wenn es um das Gewohnheitsrecht bei Grundstücken geht, dreht es sich oft um die Frage von um Wege-, Geh- und Fahrrechten. Allerdings spielen Gewohnheitsrechte heutzutage nur eine untergeordnete Rolle und Sachverhalte lassen sich durch geschriebenes Recht regeln.
Wegerecht und Gewohnheitsrecht
Häufig lösen Fragen im Bereich Wege-, Geh- und Fahrrechte Konflikte in der Nachbarschaft aus. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes hat im Januar 2020 die Frage der Gewährung des Wegerechts geklärt. Ein Eigentümer ist nach jahrzehntelanger Duldung der Nutzung seines Grundstücks durch Dritte nicht dazu verpflichtet, das auch in Zukunft zu tun. Grundstückseigentümer können sich also nicht mehr einfach auf ein Gewohnheitsrecht berufen oder das Notwegerecht einfordern.
Allerdings gelten weiterhin Wegerechte, die aufgrund einer Grunddienstbarkeit, eines Vertrages oder gesetzlich aus Gründen eines Notwegerechts bestehen. In diesen Fällen dürfen die Grundbesitzer jedoch auch eine Geldrente verlangen. Ein Notwegerecht als Gewohnheitsrecht bei Grundstücken gilt auch nur in dem Fall, wenn es sonst überhaupt keinen Zugang zu einem Grundstück gibt. Ein Notwegerecht zu fordern, wenn der Weg über das Grundstück des Nachbarn nur kürzer und bequemer ist, ist also nicht möglich.
Um Nutzungsrechte wie Geh- und Wegerechte oder Fahrrechte unter Nachbarn zu klären, sollten diese als eine Grunddienstbarkeit oder eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit vereinbart im Grundbuch eingetragen sein. Ohne Eintragung im Grundbuch besteht auch für ein vermeintliches Gewohnheitsrecht keinerlei Bestandsschutz.
Gebäude und Gewohnheitsrecht
Ein Gewohnheitsrecht einzufordern gilt ebenfalls nicht bei Errichtung von Gebäuden, auch wenn es sich um das eigene Grundstück handelt. Jedes Bauvorhaben bedarf grundsätzlich einer Genehmigung laut baurechtlicher Vorschriften. Für Schwarzbauten gibt es kein Gewohnheitsrecht und keinen Bestandsschutz.
Für ein ordnungsgemäß errichtetes Gebäude, welches auf das Nachbargrundstück ragt, gilt unter gewissen Umständen Gewohnheitsrecht der Duldung:
- der Bauherr hat weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt
- der Nachbar hat nicht unmittelbar nach Errichtung Einspruch erhebt.
- der Nachbar erhält eine Geldrente als Entschädigung.
Gewohnheitsrecht im baurechtlichen Bereich kann ebenfalls nicht eingefordert werden, wenn die Gemeinde den Bebauungsplan ändert. Es gibt also keinen Anspruch auf Ruhe, wenn die Gemeinde beispielsweise neben einer Wohnanlage eine Verkehrsfläche einrichtet. Die verfassungsmäßige Eigentumsgarantie umfasst nicht den Schutz des Grundstückeigentümers hinsichtlich der Bauplanung beziehungsweise der Nutzbarkeit anderer Grundstücke.
Zäune und Garten
Was Einfriedungen von Grundstücken betrifft, spricht man oft von Gewohnheitsrecht im Zusammenhang mit ortsüblichen Verhältnissen. Ortsüblichkeit bedeutet, dass eine Einfriedung den örtlichen Verhältnissen entsprechen muss. Dies betrifft vorwiegend die Materialauswahl und Höhe eines Zaunes, welcher in diesen Aspekten nicht aus dem Rahmen fallen darf. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich auch die Beseitigung oder Abänderung einer langjährig vorhandenen Einfriedung verlangen.
Viele Konflikte in einer Nachbarschaft haben auch mit der Bepflanzung zu tun. Es gibt keine bundesweite Regelung dafür, wie groß der Abstand zwischen Grundstücksgrenze und einem Baum sein muss. Dies ist für gewöhnlich in den Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer festgelegt. Meistens muss zumindest bei Bäumen, die sehr groß und ausladend wachsen können, ein Grenzabstand von vier oder fünf Metern eingehalten werden. Ein zu groß gewachsener Baum beziehungsweise eine Überschreitung der vorgeschriebenen Grenzabstände kann dazu führen, dass dieser Baum beschnitten oder gar gefällt werden muss.
Die gemeinschaftliche Nutzung eines Gartens durch Mieter kann ebenfalls auf einem Gewohnheitsrecht beruhen. Duldet dies der Vermieter für lange Zeit, so kann er dies später nicht einfach mehr untersagen.